Freitag, 8. Juni 2012

Langzeitstudie widerlegt Hoeneß – ein bisschen

Es war von Uli Hoeneß wieder eine seiner bekannten verbalen Blutgrätschen. "Dieser ganze Wahnsinn mit dem 'bio' ist der totale Schwachsinn. Wer in den Biomarkt geht, wird keinen Tag länger leben. Aber er wird sich früher kein Essen mehr leisten können, weil alles teurer ist", sagte der Präsident des FC Bayern München, der sich hin und wieder auf fremde Spielfelder begibt. Viele vermuteten hinter der Attacke die Interessen des industriellen Wurstfabrikanten. Aber so ganz daneben liegt der Fußballmanager auch wieder nicht.

Eine Langzeitstudie des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zeigt, dass die Belastung mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln bei Bio-Produkten deutlich geringer ist als bei konventionellen Lebensmitteln. "Der Verbraucher kann sich darauf verlassen, dass bei Bio-Produkten kaum Rückstände zu finden sind. Aber auch bei konventionellen Lebensmitteln gibt es eine große Sicherheit, denn Rückstände in den Lebensmitteln liegen in der Regel weit unter den vorgeschriebenen Höchstwerten", sagt Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU).

Die Untersuchung, deren Ergebnisse der "Welt am Sonntag" vorliegen, belegt, dass die Verbraucher auf der sicheren Seite sind, wenn sie "bio" einkaufen: "Wo 'bio' draufsteht, ist auch 'bio' drin." Für den Minister ist die Studie ein Beleg für die "hohe Verbrauchersicherheit" in Bayern.

Bayern leistet sich ein dichtes Kontrollsystem


Huber machte vergangene Woche seinen Antrittsbesuch beim Landesamt in Erlangen. Eigentlich hätte dieser schon zu Beginn des Jahres stattfinden sollen. Aber der Skandal um die unhygienischen Verhältnisse bei der Großbäckerei Müller in Neufahrn bei Erding kam dazwischen. Krisenmanagement war gefragt. Auch die Spezialeinheit Lebensmittelsicherheit des LGL war hier immer wieder im Einsatz. An der Wirksamkeit und Transparenz der Arbeit der Behörden wurde gezweifelt, weil die Öffentlichkeit erst sehr spät von den untragbaren Verhältnissen bei dem zwischenzeitlich insolventen Großbäcker informiert wurde. Huber bekräftigt aber, dass die Überwachung funktionierte. "Es gab kein Kontrolldefizit. Wir haben ein hohes Niveau der Lebensmittelsicherheit und Überwachung." Bayern leistet sich ein dichtes Kontrollsystem, "wie man es nur in wenigen Ländern vorfindet".

Aber auch das Landesamt ist eine Reaktion auf die Verunsicherung der Verbraucher. Es wurde vor zehn Jahren während der BSE-Krise gegründet. Inzwischen hat es 1070 Mitarbeiter, die sich um human- und veterinärmedizinische Fragen und um die Lebensmittelsicherheit kümmern. Hauptsitz ist Erlangen, wo auf 10.000 Quadratmetern 100 Labore eingerichtet sind. Aber auch in Oberschleißheim, Würzburg und München hat das LGL Dependancen.

Vor über fünf Jahren – währen der Gammelfleisch-Skandale – wurde die Spezialeinheit Lebensmittelsicherheit (SE) gegründet, als zentrale Anlaufstelle für alle Fragen der Lebensmittelsicherheit. In dem 90-köpfigen Team arbeiten Tierärzte, Lebensmittelchemiker, Lebensmitteltechnologen, Agraringenieure, Ökotrophologen, Lebensmittelkontrolleure, EDV-Spezialisten, Juristen und ein Kriminalpolizist.

In den Blick der Öffentlichkeit gerät das Landesamt nur, wenn Gammelfleisch in den Tiefkühltruhen liegt oder Dioxin in Eiern festegestellt wird. Dann liegt der Schwarze Peter schnell bei den Kontrolleuren. "Eines muss aber klar sein: Für die Herstellung hygienisch einwandfreier Lebensmittel ist der Unternehmer verantwortlich", sagt Huber. "Der Staat kann nur kontrollieren, ob dieser auch seiner Verantwortung nachkommt."

Das werde durch eine risikoorientierte Ausrichtung der Kontrollen und Untersuchungen gewährleistet. Das heißt, wo das Risiko höher eingeschätzt wird, wird häufiger kontrolliert. "Wir können aber nicht neben jeden Lebensmittelproduzenten einen Kontrolleur stellen. Genauso wenig wie neben jedem Autofahrer ein Polizist stehen kann", sagt der Gesundheitsminister. Es gelte immer die richtige Balance zu finden. Dazu gehören 65.000 amtliche Untersuchungen von Lebensmitteln im Jahr oder die jetzt abgeschlossene Langzeitstudie zu Bio-Produkten.

2010 gab es keine Beanstandungen

Von 2007 bis 2011 wurden dafür 2590 Proben untersucht auf Rückstände von Pestiziden und Antibiotika sowie auf den Gehalt von Nitrat und Kupfer oder auf gentechnisch veränderte Bestandteile. Die Bio-Produkte schnitten dabei gut ab. Bei frischem Obst und Gemüse bestand nur bei 1,5 Prozent der Proben der Verdacht, dass sie keiner Bio-Produktion entstammen. Der sogenannte Orientierungswert, der nichts mit dem kritischen Höchstwert zu tun hat, wurde überschritten. Die Tendenz ist positiv: 2007 waren noch drei Prozent der Bio-Proben auffällig, 2008 waren es noch 1,3 Prozent, im Jahr 2009 nur noch 0,9 Prozent. Im Jahr 2010 gab es keine Beanstandungen.

Nachweisbare, aber keine grenzüberschreitenden Rückstände gab es bei 19 Prozent der Obst- und Gemüseproben. Bei sechs der 1221 Einzelproben wurden Rückstände über den zulässigen Höchstgehalten gefunden. In der Regel gehen die Lebensmittelkontrolleure davon aus, dass es sich dabei um Produktionsfehler handelt. Allein schon die TÜV-Kontrolle der Pestizid-Spritzen habe zu Verbesserungen geführt. Es komme auch immer wieder zu Rück-Kontaminationen aus dem Boden oder durch benachbarte konventionell bewirtschaftete Flächen.

Ein Verdacht der Verbrauchertäuschung bestand bei 1,5 Prozent der Tests. Sie waren fälschlicherweise als Bio-Produkt gekennzeichnet. Im Ländervergleich der Täuschungsversuche lagen die italienischen Hersteller mit 1,6 Prozent vor den Spaniern (ein Prozent) und den Deutschen (0,7 Prozent). Besonders häufig wird der Verbraucher offenbar übers Ohr gehauen, wenn er Bio-Weine kauft. "Bei zehn der 26 untersuchten Weine lag der Verdacht einer unzulässigen Anwendung oder falscher Deklaration nahe", heißt es in der Studie.

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